Liebespaar in einem Garten ("Die Feige")



Liebespaar in einem Garten ("Die Feige")


Inventar Nr.: KP 1996/143
Bezeichnung: Liebespaar in einem Garten ("Die Feige")
Künstler / Hersteller: Jacob Dobbermann (1682 - 1745)
Datierung: 1. Viertel 18. Jh.
Objektgruppe: Skulptur / Plastik, Relief
Geogr. Bezug: Kassel (?)
Material / Technik: Elfenbein, geschnitzt, poliert
Maße: 13,5 x 8,8 x 0,6 cm (Objektmaß)
Beschriftungen: Signatur: JD fz


Katalogtext:
Beschreibung und Ikonographie

Eine Frau und ein Mann sitzen vor einer idyllischen Lustgartenkulisse. Im Hintergrund, leicht verdeckt vom Strohhut der Dame, ist ein Springbrunnen zu erkennen, der von oval darum angeordneten Bäumen hinterfangen ist. Über diesen wird der Blick auf den wolkigen Himmel frei, den zwei hohe Laubbäume rechts und links des Bildrandes begrenzen.
Mann und Frau sind als Kniestücke in den Bildvordergrund gesetzt. Mit leicht zur Seite geneigtem Kopf wendet sich die Dame dem Betrachter zu. Ihr Haar ist unter der Krempe eines Strohhuts verborgen, das leichte Kleid, das sie trägt, besitzt einen tiefen Ausschnitt. Mit der linken Hand zeigt sie auf eine Frucht in dem üppig gefüllten Fruchtkorb, der auf ihrem rechten Bein ruht. Zu ihrer Rechten sitzt ein junger Mann mit überschlagenen Beinen, der sich ihr entgegenbeugt und mit einem neckischen Lächeln den Blick von der ihm leicht abgewandten Schönen nicht lassen kann. In seiner linken Hand hält er eine Frucht – eine Feige –, über die er mit dem rechten Zeigefinger streicht.
Noch umarmt und küsst sich das Paar nicht, die vom Künstler gemachten Anspielungen sind aber erotischer Natur. Obwohl der Kopf der Frau sich leicht von ihrem Begleiter abwendet, ist der auf ihrem Bein ruhende Früchtekorb wohl für ihn und sie selbst gedacht. Er versucht, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, indem er auf die Feige zeigt.
Die Feige ist seit der Antike ein Symbol für Fruchtbarkeit, aber auch für das weibliche Geschlechtsorgan. Auch der Fruchtkorb kann als Symbol der Fruchtbarkeit gedeutet werden und unterstreicht die sexuelle Spannung der idyllischen Darstellung.

Zuschreibung

Das Relief ist am unteren rechten Rand mit „JD fz“ signiert, der für Jacob Dobbermann charakteristischen Signatur. Auffällig ist, dass das Relief relativ flach ist, während Dobbermann bei einer ganzen Reihe von Reliefs mit rundplastischen Elementen arbeitete und diese mit sehr flachem und hohem Relief kombinierte. Zudem ließ er am unteren Rand eine relativ breite Fläche, die nur die Signatur trägt, unbearbeitet, während alle anderen von ihm signierten oder ihm zugeschriebenen Reliefs mit der bildlichen Darstellung abschließen.

Datierung und stilistische Einordnung

Das Werk zu datieren, ist aufgrund der geringen Zahl datierter Werke im Œuvre Dobbermanns nicht ohne weiteres möglich. Da das Relief im Verhältnis zu anderen von Dobbermann signierten oder ihm zugeschriebenen Werken relativ flächig gearbeitet ist, unterscheidet es sich sowohl von seinem Früh- als auch seinem Spätwerk. Ähnliche Wolkenformationen mit runden, aneinander liegenden Gebilden und auslaufenden wellenartigen Wolkenstreifen stellte er in dem Relief Felicitas Patriæ (KP B VI/II.55) dar, das wohl erst um 1730 entstand. Denkbar ist allerdings auch, dass es sich hier um ein besonders frühes Werk des Künstlers, das möglicherweise in London oder noch vor seiner Londoner Zeit entstand, handelt. Bei der Wiedergabe der Gesichter und Physiognomien orientierte sich Dobbermann wahrscheinlich sehr genau an einer ihm als Vorlage dienenden bildlichen Darstellung.

Vorlage

Obwohl bislang kein direktes Vorbild zu dieser Darstellung bekannt ist, ist es wahrscheinlich, dass Jacob Dobbermann sich bei der Wahl des Motivs an einer druckgrafischen Vorlage orientierte. Dass er sich druckgrafischer Werke bediente, die er in Reliefs übersetzte, ist durch andere Arbeiten Dobbermanns belegt: So schuf er gleich mehrere mythologische Szenen nach Schabkunstblättern des britischen Mezzotinto-Künstlers John Smith, der wiederum einen heute verlorenen Gemäldezyklus mit Darstellungen der „Liebschaften der Götter“ von Tizian und Alessandro Varotari aus der Sammlung des Duke of Marlborough in Blenheim Castle kopiert hatte (Vgl. Scherer 1897b, S. 131; vgl. Nickel 1985, S. 27 f.; vgl. Burk 2001; vgl. Scherner 2019, S. 290). Da sich die Köpfe des Liebespaares stark von den als Eigenkompositionen Dobbermanns anzusprechenden allegorischen Figuren mit kleinen Köpfen und gedrungenen Körpern unterscheiden (vgl. Apotheose Ulrika Eleonoras von Schweden, Prag; Ex Amore Amor (KP B VI/II.25) oder Felicitas Publica (KP B VI/II.27)), Dobbermann sich in den nach grafischen Vorlagen gearbeiteten Werken aber an der Figurenbildung der Kupferstiche orientierte (vgl. Herkules und Dejanira, 1710, Art Gallery of Ontario; vgl. KP B VI/II.43), ist anzunehmen, dass auch in diesem Fall die Vorlage ausschlaggebend für die Gestaltung der Figuren war.
Galante, also erotische Motive mit einem oder mehreren Liebespaaren in ländlicher Idylle waren im 17. und 18. Jahrhundert vor allem in den Niederlanden und Frankreich verbreitet. Über druckgrafische Reproduktionen fanden diese Motive europaweit Verbreitung und waren Impulsgeber für zahlreiche weitere Kunstwerke unterschiedlicher Gattung. Solche Galanterien waren gefragte Sammelobjekte, die man beim Künstler direkt oder auch bei Kaufleuten erwerben konnte. Dobbermann, der zwar seit 1716 als Hofkünstler Landgraf Carls angestellt war, seine Werke aber auch anderen Höfen und Besuchern der Residenzstadt zum Kauf anbot (Uffenbach/Arnim 1928, S. 59), schuf Elfenbeinreliefs wie diese vermutlich in der Hoffnung, einen Abnehmer zu finden.

Sammlungsgeschichte / Provenienz

Im Besitz der Landgrafen und Landgräfinnen von Hessen-Kassel lässt sich das Relief bislang nicht nachweisen. Im Elfenbeininventar des Museums Fridericianum ist es nicht verzeichnet und die Objekteinträge in früheren Inventaren sind häufig zu ungenau, um eine eindeutige Identifikation zu ermöglichen. Das Relief gelangte 1996 in die Sammlung Angewandte Kunst (damals Sammlung Kunsthandwerk und Plastik). Unabhängig davon, ob es ursprünglich für ein Mitglied der hessischen Landgrafenfamilie geschaffen wurde, noch aus der Zeit vor Dobbermanns Niederlassung in Kassel stammt oder vom Künstler oder dem Landgrafen an eine unbekannte Person verschenkt wurde, ist das Relief als signiertes Werk Dobbermanns eine wichtige Bereicherung für die Kasseler Sammlungen. Kein anderes Museum besitzt so viele Werke Dobbermanns.

(Elisabeth Burk, 29.11.2021)



Literatur:
  • Uffenbach, Johan Friedrich Armand von: Tagebuch einer Spazierfarth durch die Hessische in die Braunschweig-Lüneburgischen Lande, 1728. 1728.
  • Scherer, Christian: Studien zur Elfenbeinplastik der Barockzeit. Straßburg 1897.
  • Nickel, Claudia: Der Bernstein- und Elfenbeinschnitzer Jacob Dobbermann (1682-1745). Hausarbeit zur Erlangung des Magistergrades [...] der Universität Göttingen. Göttingen 1985.
  • Burk, Jens Ludwig: Marmorbad Kassel. Spätbarocker Pavillon in der Karlsaue mit bedeutenden Skulpturen und Reliefs von Pierre Etienne Monnot. Regensburg 2001.
  • Scherner, Antje: Jacob Dobbermann. In: White Wedding. Die Elfenbein-Sammlung Reiner Winkler jetzt im Liebieghaus - für immer (2019), S. 288-300.


Letzte Aktualisierung: 08.01.2025



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