Susanna im Bade



Susanna im Bade


Inventar Nr.: KP B VI/II.23
Bezeichnung: Susanna im Bade
Künstler / Hersteller: Jacob Dobbermann (1682 - 1745)
Datierung: um 1720
Objektgruppe: Skulptur / Plastik, Relief
Geogr. Bezug: Kassel
Material / Technik: Elfenbein, gesägt, geschnitzt, gebohrt und poliert
Maße: 14,9 x 10,1 x 1,4 cm (Objektmaß)
Provenienz:Inventar B VI. Copia: Museum. Inventarium über Kunstsachen von Bernstein, Elfenbein, Agath, Holz, gebrannte Erde und andern mehr, 1791, S. 30, Nr. 23.; Inventarium von denen in dem königl. hfrstl. kunsthaus befindlichen schildereien, rissen, zeichnungen, kupferstichen und sonstigen sachen [...] Marburg, HLA-HStAM, Best. 4 b, Nr. 830, S. 80, Nr. 876 (?)
Beschriftungen: Signatur: J.D. (in der linken unteren Ecke der Mauerkante links von dem Gewächs in der unteren rechten Ecke des Reliefs)


Katalogtext:
Beschreibung

Eine junge, unbekleidete Frau sitzt mit verschränkten Armen und Beinen, sich zusammenkauernd auf dem Rand eines Brunnens. Mit ihrem über die rechte Schulter fallenden offenen Haar und einem Tuch, das zum Teil über ihren rechten Arm gelegt ist, versucht sie, sich vor den Blicken des neben ihr stehenden alten Mannes zu schützen. Dieser steht hinter der Mauer des Brunnens, sich zu ihr hinunterbeugend und mit seiner Hand durch ihr Haar hindurch nach ihrer Brust tastend. Ein weiterer alter Mann mit langem, lockigem Bart steht schräg hinter der jungen Frau und zieht an dem Tuch, mit dem sie ihren Oberkörper zu verdecken versucht. Er trägt ein langes Gewand mit Kapuze. Anders als sein Begleiter richtet er den Blick nicht auf die unbekleidete Frau, sondern sieht geradeaus. Dargestellt ist Susanna, die sich entkleidet hat, um ein Bad zu nehmen, und von den beiden Männern, die ihr aufgelauert haben, überfallen wird.
Die Szene spielt sich im Park eines herrschaftlichen Gebäudes ab. Eine niedrige Mauer mit einer Bank, auf der die Frau Platz genommen hat, um sich zu waschen, formt ein rechteckiges Bassin, in dem ein Springbrunnen steht. Der zierliche Springbrunnen besteht aus einem muschelförmigen Becken mit Löwenkopf, das auf einer balusterförmigen Stütze ruht. Eine sich in mehrere Strahlen aufteilende Wasserfontäne sprudelt aus der Mitte des Beckens, während sich aus dem Löwenmaul ein Wasserstrahl in das große Bassin ergießt. Der Künstler legte Wert auf Details: Die Strahlen der Fontäne stellte er als ineinander gedrehte vollplastische Zöpfe dar. Das sich aus dem Löwenmaul ergießende wellenförmig hinabfließende Wasser spritzt beim Auftreffen auf den nur mit einer dünnen Wasserschicht bedeckten Bassinboden hoch und bildetet einen Kranz um das Ende des Wasserstrahls. In den Ritzen der Mauer wächst Unkraut.
Laubbäume rahmen das Relief zur linken Seite, den rechten Rand des Reliefs nimmt die aufrechte Figur des zweiten Mannes ein. Im Hintergrund ist hinter den Baumkronen das mit Statuen besetzte Dach eines Palastes zu erkennen, über dem einige Wolken den Himmel beleben. Zarte Blätter von Bäumen und Sträuchern bilden einen Kontrast zu den überwiegend glatten Flächen des nackten Frauenkörpers, der Baumstämme und des Himmels.
Die bewundernswerte künstlerische Arbeit mit filigranen, vollplastisch gearbeiteten Elementen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Proportionen der Figuren, vor allem der jungen Frau, nicht überzeugen. Der Kopf und die Hand Susannas sind im Verhältnis zu ihrem Körper zu klein; der Rücken, ihr linker Oberarm und ihr Gesäß wirken im Vergleich massig. Ihr linkes Bein endet wie abgeschnitten unter dem Tuch, mit dem sie sich zu bedecken versucht, während das rechte Bein zu kurz für den Körper erscheint.
Format und Art der Darstellung ähneln einer Reihe mythologischer Darstellungen (Pluto und Proserpina (KP B VI/II.42), Herkules und Dejanira (KP B VI/II.43) und Neptun und Amphitrite, (Frankfurt, Liebieghaus)). Die Tafel ist jedoch etwas kleiner als die mythologischen Reliefs. Wie die Götterfiguren nehmen auch diese drei biblischen Figuren den Großteil des Reliefs ein. Auch bei diesen Reliefs ließ der Künstler am oberen Rand und an den seitlichen Rändern einen schmalen Grat des Materials stehen, der das Relief rahmt. Sowohl bei den mythologischen Reliefs als auch bei dieser alttestamentarischen Szene variierte der Elfenbeinschnitzer hauchdünne Partien mit Hochrelief und sogar vollplastisch gearbeiteten Stücken, die seine Kunstfertigkeit bei der Bearbeitung des Materials offenbaren.

Literarische Vorlage / Ikonographie

Die Geschichte von Susanna im Bade stammt aus dem Alten Testament (Dan 13). Susanna war die wunderschöne Frau Jojakims, der ein Haus mit Garten besaß. Bei ihm trafen sich die Menschen, wenn Recht gesprochen wurde, weshalb sich auch die beiden zu Richtern bestimmten Ältesten regelmäßig bei ihm aufhielten. Beide begehrten die schöne Frau, die sie heimlich bei ihren Spaziergängen im Garten beobachtet hatten, und verabredeten sich, sie in einem günstigen Moment zu überfallen. Eines Tages versteckten sie sich im Garten, als Susanna dort ein Bad nehmen wollte. Sie bedrängten sie und wollten sie dazu erpressen, sich ihnen hinzugeben, indem sie drohten zu erzählen, sie habe einen jungen Liebhaber. Susanna jedoch wehrte sich und schrie um Hilfe, woraufhin Jojakim und seine Gäste herbeieilten. Anstatt Susanna unmittelbar Glauben zu schenken, fand am nächsten Tag ein Prozess statt, in dem die beiden Alten gegen Susanna aussagten, um sie als Ehebrecherin zum Tod verurteilen zu lassen. Da das Volk den beiden Richtern glaubte, sollte Susanna hingerichtet werden. Weinend betete sie zu Gott, der ihr Flehen erhörte und durch Daniel Recht sprechen ließ. Daniel überführte die beiden Alten der Lüge, woraufhin sie hingerichtet wurden.
Gezeigt ist hier der Moment, in dem sich die Ältesten, die Susanna im Garten aufgelauert haben, der sich Waschenden nähern. Darstellungen dieses Themas waren in der Malerei der Renaissance und des Barock beliebt und wurden auch in zahlreichen anderen Medien wiedergegeben (LCI, Bd. 4, S. 227-231). Susanna am Rand eines Brunnenbeckens, beobachtet oder bedrängt von den beiden Männern darzustellen, gehört dabei zu den am häufigsten wiederzufindenden bildlichen Umsetzungen der Geschichte.

Zuschreibung

Der Künstler signierte das Relief an der linken Ecke des bankartigen Mäuerchens, auf dem Susanna sitzt, mit „J D“. Die Initialen stehen für Jacob Dobbermann, der auch andere Reliefs mit diesen verschnörkelten Buchstaben signierte, zum Teil seinen Nachnamen aber auch ausschrieb. Nicht nur die Signatur, sondern auch die stilistischen Merkmale des Reliefs sprechen für eine Zuschreibung an Dobbermann. Der detailreichen, qualitätvollen Bearbeitung des Materials stehen die Schwierigkeiten in der Wiedergabe der Proportionen gegenüber. Vor allem Susannas Kopf ist zu klein und die Finger ihrer ebenfalls zu kleinen Hand ähneln denen Eurydikes auf dem Relief Orpheus und Eurydike (KP B VI/II.26).

Vorlage

Dobbermann orientierte sich hier an einer Darstellung von Peter Paul Rubens, die über Kupferstiche europaweite Verbreitung fand (Nickel 1985, S. 89). Claudia Nickel konnte eine Vorlage identifizieren: den 1620 von Lucas Vorstermann geschaffenen, allerdings spiegelverkehrten Kupferstich von Susanna und die beiden Alten, der auch im Besitz der Landgrafen war und noch heute zum Bestand des Kupferstichkabinetts gehört (Kassel, HKH, GS, Inv. GS 39245, fol. 17, http://datenbank.museum-kassel.de/290981/ [3.11.2021]). Als Künstler war Dobbermann zwar durchaus dazu in der Lage, eine Darstellung spiegelverkehrt wiederzugeben, allerdings erscheint dieses Vorgehen bei einem Relief unnötig aufwendig. Zudem ist dank der mythologischen Reliefs im Besitz von HKH belegt, dass Dobbermann sich sehr genau an vorhandenen Stichvorlagen orientierte, sodass davon auszugehen ist, dass ihm eine Abbildung vorlag, die zumindest die Figuren wie auf seinem Relief zeigte. Da Dobbermann, wie die mythologischen Reliefs zeigen, selbst die Umgebung und die Details kaum variierte, ist es überdies wahrscheinlich, dass auch der von ihm dargestellte Brunnen und der Hintergrund seiner Vorlage entsprachen. Bislang konnte eine solche Vorlage jedoch nicht identifiziert werden, sodass die Annahme hypothetisch bleibt. Vorstermanns Kupferstich weist große Ähnlichkeit mit dem Relief auf und es ist denkbar, dass Dobbermann bei der Gestaltung der Umgebung eigene Vorstellungen umsetzte.

Datierung und stilistische Einordnung

Werke Dobbermanns zu datieren ist nicht leicht, da nur sehr wenige seiner Elfenbeinarbeiten datiert (Burk 2001, Scherner 2019) und kaum schriftliche Quellen zu seinen Arbeiten bekannt sind.
Sind Werke in Kassel erhalten, ist eine Datierung in die Jahre, in denen sich Dobbermann in Kassel niederließ, also ab seiner Bestallung 1716 bis zu seinem Tod 1745, wahrscheinlich. Denkbar ist allerdings auch, dass Dobbermann mit einigen seiner Werke im Gepäck nach Kassel kam. Das vorliegende Relief ähnelt in der Darstellung der kleinen Köpfe, der gelockten Bärte und der Behandlung der vielen, dicht an dicht gesetzten, kleinen und spitz zulaufenden Blätter an die Reliefs Pluto und Proserpina (KP B VI/II.42) und Herkules und Dejanira (KP B VI/II.43). Diese sind ebenfalls undatiert. Aufgrund der stilistischen Merkmale, die sich von den in Dobbermanns Londoner Zeit und den späteren in Kassel entstandenen allegorischen Reliefs unterscheiden, ist eine Datierung um 1720 anzunehmen.

Sammlungsgeschichte / Provenienz

Da das Relief in Kassel erhalten ist und eine alte Inventarnummer trägt, die auf das zwischen 1788 und 1795 für das Museum Fridericianum erstellte Inventar „B VI Copia. Museum. Inventarium über Kunstsachen von Bernstein, Elfenbein, Agath, Holz, gebrannte Erde und andern mehr“ zurückgeht, war es spätestens seit diesem Zeitpunkt in der Sammlung der Landgrafen von Hessen-Kassel. Mutmaßlich ist dieses Relief bereits 1747 im Kunsthaus verzeichnet als Nr. 876: „Susanne, worfür ein glas in einem schwartzen Rahmen“ (Kunsthausinventar 1747, S. 80; Weinberger 2015, Gemälde, S. 30). Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich um eine Arbeit, die Dobbermann im Auftrag für Landgraf Carl fertigte. Zwar war Dobbermann auch nach Landgraf Carls Tod noch für König Friedrich I. und Landgraf Wilhelm VIII. tätig, doch dürfte der Großteil der noch erhaltenen Werke in der Regierungszeit Landgraf Carls entstanden sein. In den Nachlassinventaren Landgraf Carls werden zwar einige Elfenbeinreliefs erwähnt, jedoch wird keines eindeutig genug beschrieben, um es zu identifizieren. Ob Landgraf Carl dieses Relief bis zu seinem Tod in einem seiner beiden Kabinette im Appartement des Residenzschlosses aufbewahrte oder es schon vor 1730 im Kunsthaus ausgestellt war, ist daher nicht zu ermitteln.

(Elisabeth Burk, 29.11.2021)



Literatur:
  • Lenz, August: Führer durch den Unterstock der neuen Bildergalerie zu Kassel von A. Lenz, Königlichem Museums=Inspector, S. 21, Kat.Nr. 23.
  • Pelka, Otto: Elfenbeinbein. Berlin 1920, S. 277, 280, Abbildung S. 191.
  • Nickel, Claudia: Der Bernstein- und Elfenbeinschnitzer Jacob Dobbermann (1682-1745). Hausarbeit zur Erlangung des Magistergrades [...] der Universität Göttingen. Göttingen 1985, S. 35; 37; 39 f.; 88 f., Kat.Nr. 30.
  • Burk, Jens Ludwig: Marmorbad Kassel. Spätbarocker Pavillon in der Karlsaue mit bedeutenden Skulpturen und Reliefs von Pierre Etienne Monnot. Regensburg 2001.
  • Weinberger, Cornelia [Bearb.]: Inventare und Akten des Kasseler Kunsthauses. Privater Probedruck. Kassel 2015, S. 30.
  • Scherner, Antje: Jacob Dobbermann. In: White Wedding. Die Elfenbein-Sammlung Reiner Winkler jetzt im Liebieghaus - für immer (2019), S. 288-300.
  • Inventar B VI. Inventar der Gegenstände von Bernstein, Elfenbein, Holz, Stein [...]. [Kassel] nach 1779, S. 30, Kat.Nr. 23.
  • Inventar B VI Copia. Museum. Inventarium über Kunstsachen von Bernstein, Elfenbein, Agath, Holz, gebrannte Erde und andern mehr. [Kassel] nach 1779, S. 30, Kat.Nr. 23.

Siehe auch:


  1. KP B VI/II.26: Orpheus und Eurydike


Letzte Aktualisierung: 27.06.2024



© Hessen Kassel Heritage 2025
Datenschutzhinweis | Impressum